Im Vergleich mit der Schweiz: Sind Tantramassagen Prostitution?

Das in Deutschland seit 2017 geltende Prostituiertenschutzgesetz soll ausgebeutete Frauen schützen – gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht bedacht, dass es Tantramassagen gibt. So sorgt das Gesetz für Unsicherheit bei den Anbieter/innen von Yoni-Massagen. Diese sehen sich eher als Therapeutinnen und organisieren ihre Tätigkeit selbstbestimmt. Sie möchten sich nicht behördlich als Prostituierte registrieren lassen.

In Deutschland ist die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes Aufgabe der Länder. Es gibt regional sehr unterschiedliche Auslegungen dazu, ob sich Prostituierte/r registrieren müssen und ob die Sperrzonenregelung gilt oder nicht, manche Städte haben auch gar keine Sperrzonen. Behörden, Anbieter und der deutsche Berufsverband TMV streiten noch um die Einstufung. Soweit die Lage in Deutschland.

Wir haben bei Christian nachgefragt, wie die Dinge in unserem Nachbarland gehandhabt werden.

Interview mit Christian Arpagaus vom Förderverein Tantramassage Schweiz

Christian, wie ist die gesetzliche Situation für Tantramassage-AnbieterInnen in der Schweiz?

Die Schweiz kennt die Gewerbefreiheit. Jedermann und -frau kann also jedes Gewerbe betreiben oder jede Dienstleistung anbieten. Die Schweiz ist ein föderalistisch organisierter Staat. Der «Bund» regelt schweizweit, die Kantonen können innerhalb der vom Bund gegebenen Regeln weitere Gesetze erlassen und darunter gibt’s noch die Gemeinden (in der Schweiz gibt es 2222 politische Gemeinden) welche Regeln definieren können, die sich innerhalb der vom Kanton (und damit auch der vom Bund) gesetzten Rahmenbedingungen bewegen müssen.  Letztendlich sind es also die Gemeinden, die die lokalen Bestimmungen, oder Einschränkungen für die Gewerbetreibenden festzulegen.

Das bedeutet, dass der Förderverein Tantramassage Schweiz (FöVe TM CH) keine verlässliche Information über die Möglichkeiten hat, an einem bestimmten Ort Tantramassagen anbieten zu können.

Aha, das ist also ähnlich wie in Deutschland derzeit. Gibt es trotzdem einige Parameter, die es professionellen Anbietern erleichtern, sich zu orientieren?

Ja, die gibt es. Auch in der Schweiz gilt Tantramassage als Prostitution, Prostitution ist legal. Die vom Förderverein Tantramassage Schweiz   empfohlenen, bzw. auf unserer Website aufgeführten Massageanbieter arbeiten nach den Grundsätzen des FöVe TM CH (die weitgehend mit denen des deutschen Tantramassage-Verbandes TMV übereinstimmen). Geschlechts- oder Oralverkehr gibt es bei diesen Massageanbietern nicht. Trotzdem wird ihre Arbeit vom Gesetzgeber der Prostitution zugeordnet: «Die sexuelle Handlung braucht nicht in der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher Handlungen zu bestehen.» (Botschaft, BBI 1985 II 1082). «Auch die sog. „Feinmassage“ stellt eine solche Handlung dar»: BGE 121 IV 87.“ (BGE = Bundesgerichtsentscheid). D.h. eine Yoni- oder Lingam-Massage führt dazu, dass die «Handlung» als der Prostitution zugehörig gilt.

Wie sollte man als Anbieter vorgehen, wenn man ein Tantramassage-Institut oder eine Frauenmassage-Praxis in der Schweiz eröffnen möchte?

Bevor ein Tantramassage-Anbieter irgendwo eine Praxis eröffnen möchte, gilt es mit der politischen Gemeinde zu klären, ob bzw. wo dies möglich ist. Die Gemeinde (oder auch der potentielle TM-Anbieter) orientiert sich dabei an der lokalen Gewerbeverordnung, der Bau- und Zonenordnung sowie der Polizeiordnung (sofern vorhanden).

Logo Föderverein Tantramassage SchweizDie lokalen Verordnungen müssen auf Einschränkungen hinweisen, die eine Eröffnung verhindern könnten. Z.B. könnte die Zonenordnung vorschreiben, dass ein Gewerbe mit «Immissionen» nicht in einer Wohnzone eröffnet werden darf. Es ist möglich, dass sich Nachbarn an dem Tantramassage-Studio stören und unter diesem Punkt klagen. Aber fast am wichtigsten ist es wohl, dass der Vermieter des Lokals, der Wohnung in welcher Tantramassage angeboten werden sollen davon weiss und damit auch einverstanden ist.

Natürlich hängt es auch von der Art des Betriebes ab (Einzelfirma, GmbH, …), wie versteuert, und versichert wird. Aber diesbezüglich unterscheiden sich Tantramassage-Anbieter nicht von anderen Gewerbetreibenden.

Fazit: In der Schweiz kann es vorkommen (Stadt Zürich), dass Tantramassagen nicht möglich sind (in Wohnzonen), dass aber 100 Meter daneben, in der Nachbarsgemeinde keine gesetzlichen Einschränkungen vorhanden sind. Die Abklärung, ob Tantramassagen angeboten werden dürfen, muss also immer mit den Gemeindebehörden erfolgen.

Vielen Dank, Christian. Die Situation scheint also ganz ähnlich wie in Deutschland zu sein: Jeder, der Tantramassagen in Deutschland anbieten möchte, muss ebenfalls lokal mit den Ordnungsämtern klären, ob auf der Adresse die Anmeldung eines solchen Gewerbes möglich ist.

Ja, ich denke, da ist die Situation vergleichbar.

Gibt es in der Schweiz auch die Erlaubnispflicht? Bei uns sind wird seit Juli 2017 die Anmeldung als Prostituierte/r erst nach Vorlage von Antrag, Führungszeugnis und Betriebskonzept genehmigt.

Nein, eine solch diskriminierende Erlaubnispflicht gibt es in der Schweiz nicht. Betriebskonzepte werden in der Stadt Zürich von grösseren Anbietern (z.B. Dakini Zürich) verlangt. Auch dies ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt.

Kennt man in der Schweiz auch das Brandmarken des Berufes mit der Ausweispflicht? In Deutschland müssen registrierte Prostituierte/r jederzeit den „Hurenpass“ bei sich tragen. Das kann zwar auch einer mit einem registrierten Aliasnamen sein, aber der Klarnamen liegt der Behörde vor. Die Tantramassage-Institute verlieren derzeit Mitarbeiter, weil letztendlich niemand weiß, was mit den Daten geschieht und ob man das nicht Jahre später bereut.

Diesbezüglich kann ich keine verlässliche Antwort geben. Ich weiss nicht, welche Regeln für Prostituierte ohne festem Arbeitsplatz gelten (Strassenprostitution). Für AnbieterInnen von Tantramassagen die in einer Praxis arbeiten gibt es in der Schweiz aber keine solche Ausweispflicht.

Zudem sind bei uns mancherorts bestimmte Sicherheitsauflagen zu erfüllen wie ein Notrufsystem in den Massageräumen zum Schutz vor Kunden/innen (z.B. in Dresden). Es müssen Schilder mit Hinweisen auf die Kondompflicht aufgehängt werden, was absurd ist, denn bei einer Tantramassage gibt es keinen Geschlechtsverkehr.

In der Schweiz gelten die feuerpolizeilichen und allfälligen anderen Vorschriften, es gibt keine weitergehenden, die speziell nur für Massagestudios geschaffen worden wären. Und wenn, wären sie im Betriebskonzept (siehe oben) enthalten.

Gibt es in der Schweiz auch verpflichtende Gesundheitsberatungen? Jährliche Aufklärungsgespräche sind in Deutschland Teil des neuen Prostituiertenschutzgesetzes. Bei uns sind die Gesundheitsämter für die verpflichtenden Gesundheitsberatungen zuständig.

Nein, auch hier unterscheiden sich in der Schweiz Tantramassage Anbietende nicht von anderen Gewerbetreibenden.

Vielen Dank für diese Infos, Christian.

Zusammenfassung Vergleich Schweiz / Deutschland

→ Man kann zusammenfassen, dass sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Tantramassagen als Prostitutionsgewerbe gelten. Allerdings wird in beiden Ländern von den Anbietern und Verbänden um eine Einstufung außerhalb der Prostitution in Richtung Körpertherapie gerungen. Die Auflagen, mit denen AnbieterInnen in Deutschland aber seit 2017 geknebelt werden (Hurenpass, Erlaubnispflicht, Gesundheitsberatung und spezielle Kennzeichnungs- und Sicherheitsauflagen) gibt es so in der Schweiz nicht. Dort unterliegen die Anbieter nur allgemein üblichen gewerblichen Auflagen.

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